Mittwoch, 16. August 2017

Endegelände, zu Fuss unterwegs

Da standen wir nun also mit unseren Velotaschen und unseren Stahleseln, von denen einer ziemlich übel lahmte. Wirklich mobil waren wir in dieser Situation nicht, wir fühlten uns irgendwie invalide, hatten wir doch definitiv mehr Gepäckstücke als Hände. Ab nun werden wir grössere Distanzen mit dem Auto zurücklegen müssen.

So erreichten wir Karakol also motorisiert, stellten unsere Fahrräder in den Hof vom Guesthouse, wo sie für die nächsten 2 Wochen beschämt stehen werden und machten uns daran eine Trekking Tour zu planen. Hierfür fehlt uns eigentlich die Ausrüstung. Weder haben wir Bergschuhe dabei, noch einen grossen Rucksack. Die Idee das fehlende Material zu mieten, schlugen wir uns schnell aus dem Kopf. Der Gedanke mit fremden noch nie getragenen Wanderschuhe 8 Stunden am Tag zu laufen, war mässig pricklig. Wir entschieden uns stattdessen für die "Luxusvariante": Bei Eco Trek buchten wir ein 8-tägiges Trekking mitsamt Führer, Koch und Träger.

Am Morgen vom 3. August standen wir mit unseren Tagesrucksäcken und einer kleinen Tasche mit Ersatzkleidern, Schlafsäcken und Zelt vor dem Guesthouse bereit, wo wir von der Organisation abgeholt wurden.
Wie so immer in den letzten 3 Monaten, wenn wir ein Haus mit einem Dach über dem Kopf verliessen und in eine neue Etappe starteten, regnete es an diesem Morgen. Leider blieb es die nächsten 3 Tage regnerisch, spätestens ab dem Mittag setzte jeweils der Regen ein. Richtig trocken kriegten wir unsere Schuhe und Füsse erst wieder ab Tag 4. Dafür waren die restlichen 5 Tage von Sonnenschein und mehrheitlich Wolken losem Himmel dominiert, also kein Grund zur Klage.

Unser Trekking sollte eigentlich im Turgenaksu-Tal beginnen. Allerdings war die zuführende Strasse an diesem Morgen durch das Militär gesperrt. Es wurde ein noch nicht explodierter Sprengkörper gefunden, der im Winter eigentlich Lawinen hätte sprengen sollen. Anscheinend braucht man für künstliche Lawinenauslösung in Kirgistan scharfe Kriegsmunition.
Wir begannen daher unser Trekking im Paralleltal. Unsere Route ist ansich einfach zu beschreiben: Hinter resp. südlich von Karakol liegt ein Gebirgszug - Ausläufer vom Tian Shan Gebirge, der von einer Reihe parallel verlaufender Täler durchzogen wird. Ein Trekking beginnt jeweils am Ende eines Tals. Über einen oder mehrere Pässe gelangt man ins benachbarte Tal. So können je nach verfügbarer Zeit beliebige Anzahl Täler durchquert werden. Das bekannteste Trekking in der Umgebung von Karakol führt durch das Karakol Tal zum Alakjol Lake und über das Jeti Ögüz Tal wieder zurück. Unsere Variante war eine Erweiterung davon, wir begannen aber bereits 3 Täler weiter östlich. Was der Vorteil hatte, den anderen Touristen etwas auszuweichen. So sahen wir die ersten 3 Tage ausser Hirten und unser Team keine anderen Menschen. Dafür stapften wir durch wegloses Gelände, durch hohes Gras und hatten einige Flussüberquerungen ohne Brücke; was alles auch nicht zu trockenen Füssen beitrug.

In den ersten Tagen litten wir ziemlich. Wir hatten derart Muskelkater, als wären wir die letzten Wochen untätig rumgesessen. Beim Velo Fahren braucht man offensichtlich ganz andere Muskelgruppen! Irgendwann gewöhnten sich dann die Füsse und Beine an ihr neues Schicksal und wanderten klaglos.

Den Service von unserem Team schätzten wir wahnsinnig. Wir brauchten uns um nichts zu kümmern, konnten nur wandern und die Bergwelt geniessen.
Deren Anblick war wirklich ein Genuss: Glasklare Bergseeen, allen voran der beliebte Alakjol Lake, der umrahmt von Gletscherbergen in einem Hochplateau auf 3500 Metern liegt, bunte Blumenwiesen, tolle Panorama (sofern das Wetter es zuliess) und natürlich fehlten auch die frei umherziehenden Pferde, Kühe und Schafe nicht.

Am Morgen beim Aufstehen erwartete uns bereits ein gedeckter Frühstückstisch und abends wurden wir traditionell kirgisisch/ zentralasiatisch bekocht. In der Woche wurde uns nochmals das ganze Repertoir der hiesigen Küche serviert. Es gab Lagman (dicke Nudeln, meist als Suppe mit Gemüse und Fleisch), Plov (Reis mit Karotte und Fleisch, meist schwimmend in viel Fett), Dimlama (Eintopf mit Kartoffeln, Kohl, Fleisch und je nach Verfügbarkeit anderem Gemüse) und Gretschka (sehr gesund!, Buchweizen pur, meist ungesalzen, wie so alle Speisen hier, nur geschmackvoll mit einem frischen Salat aus Gurken und Tomaten dazu).

Nach 8 Tagen in den Bergen erreichten wir wieder Karakol, wo wir im selben Guesthouse abstiegen. Unsere Reise stand kurz vor dem Ende. Zum Abschluss blühte uns aber nochmals eine Autofahrt nach Bishkek, in die Hauptstadt von Kirgistan. Für einmal hatten wir tatsächlich einen umsichtigen und rücksichtsvollen Autofahrer - es gibt sie also auch in Kirgistan, wenn auch rar gesäät. Ich erlitt keinen einzigen Schweissausbruch oder unkontrolliertes Herzrasen während der gesamten Fahrt, die immerhin sechs Stunden dauerte.

In Bishkek angekommen tauchten wir für die letzten Tage in das Leben einer Grossstadt ein. Wir genossen die kulinarische Vielfalt, schlenderten durch die Strassen, liessen es uns in einem Wellnesstempel gut gehen, kämpften uns durch den überfüllten Bazar, liessen die letzten Wochen mit ihren Erlebnissen Revue passieren und suhlten uns in der Vorfreude auf zu Hause, wo uns der Alltag hoffentlich nicht allzu schnell einholen wird.





















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